Frühjahr 2019 bis Sommer 2020

 Bevor wir daran dachten, hier in unserer fränkischen Umgebung hin und wieder einen Wandertag einzulegen, begann alles mit den agilen Bewohnern*innen der Wohngruppen C1 und B4. Die nämlich kamen ab September 2018 sehr regelmäßig zu mir ins Fitnesstraining. Da die jungen Leute aber auch (mind.) jedes zweite Wochenende in Nürnberg blieben, verspürten sie das Verlangen, raus an die frische Luft zu gehen. Viele Ausgangspunkte lassen sich mit dem öffentlichen Nahverkehr erreichen und es erwarten einen ebenso viele Gasthäuser zur gelegentlichen Einkehr, dies steigerte unsere Motivation noch mehr.

Gesagt, getan, zwei Wanderungen fanden noch 2019 statt, eine um Königstein in der Oberpfalz, sowie der 5-Seidla-Steig um Gräfenberg.

Im September 2019 kamen weitere Wandervögel zu uns und wir dachten über weitere Aktionen nach, es ergaben sich:

  • Ende Oktober der Tag der offenen Tür der fränkischen Brauereien und Brennereien in der fränkischen Schweiz, wir umrundeten dabei großzügig den Markt Pretzfeld.
  • unser Winterwochenende in Garmisch-Partenkirchen.
  • 5-Seidla-Steig, mit geringfügig anderer Besetzung sowie
  • Führung durch Bamberg (die allererste für Blinde und Sehbehinderte, die ein Tastbuch zur Verfügung bekamen).
  • Ein Nachmittag auf der Radrennbahn in Augsburg – Pedalhelden 2020

Auf die letzten vier möchte ich hiermit etwas genauer eingehen.

1) 5-Seidla-Steig um Gräfenberg – ein Klassiker

Irgendwie ist klar, dass jede/r, der/ die gerne ein Bier trinkt, mit der Vielfalt, die es an Bieren hier in Franken gibt, in Berührung kommt. Der 5-Seidla-Steig (hochdeutsch: 5-halbe Bier-Steig) bietet sich dazu an: mit der Gräfenbergbahn vom Nürnberger Nordostbahnhof nach Weißenohe, dort starteten wir am Kloster und wanderten, teils auch abseits des „direkten“ Wanderweges so um die 25km in 8 Stunden (inkl. Pausen). Beim Hofmann in Hohenschwärz gab es Mittagessen, bevor sich unsere Runde nach Thuisbrunn weiterbewegte. Dort ist ein Muss der Spaziergang auf den Schlossberg und dann die Einkehr im „Elch-Bräu“-Wirtshaus. Von Thuisbrunn in 1,5 Stunden zurück nach Gräfenberg und rein in den Zug zurück.

2) Winterwochenende in Garmisch-Partenkirchen vom 6.- 8. März 2020

Freitag, 6. März
…ankommen in unserem Haus im Sport Quartier, gleich neben der Skisprungschanze, dann spontane Tour durch die Partnachklamm (die eigentlich wegen Bauarbeiten gesperrt war ;)
Aber mit Glück und Geld trafen wir auf einen netten Menschen, der uns unkompliziert hineinließ. Danach ging es hoch zum Vordergraseck, ab in die Almwirtschaft „Hanneslabauer“.

Samstag, 7. März
Auf ging es zum Jochberg, am Walchensee. Ab ca. 1200m Höhe begann es mehr oder weniger heftig zu schneien…und wir hatten unseren Winter. Drei Stunden etwa stiegen wir auf, wie die Aussicht war, seht Ihr hier selber. …beim Abstieg vom Gipfel (1567m), riss die Wolkendecke zeitweise auf, und wir konnten Walchen- sowie Kochelsee erkennen. Unsere Guides Dirk und Michi, beide auch erfahrene Bergretter, lernten uns mit Lawinensuchgeräten umzugehen und versteckte Gegenstände aufzuspüren. Am Abend entspannten wir uns bei Spaghetti Pesto von Jeanne und leckeren Salaten. Dazu luden wir Dirk ein, der uns ein sehr guter Gesprächspartner war! Er gehört zu den am besten ausgebildeten Bergrettern der Gegend (auch Helikopterrettung) und hatte allerhand Geschichten auf Lager.

Sonntag, 8. März
„Sie wollten schon immer mal „ganz oben“ sein?“ Führung über die große Skisprungschanze mit Sepp Porer. Er zeigte uns den Schiedsrichterturm, den Trainerturm und wir erfuhren was der K-Punkt ist. Wir gingen durch das Innenleben der Schanze und bekamen einen Eindruck vom Ausblick am Punkt des Absprungs. Die traumhafte Aussicht vom Schanzenturm, die sonst nur den Sportlern vorbehalten ist gab’s inklusive! Insgesamt waren 333 Treppenstufen zu erklimmen. Diese sind zum Teil innerhalb aber auch außerhalb der Schanze gelegen. Sepp hatte eine Menge zu erzählen und ging ganz besonders auf diese spezielle Sportart und die physischen und psychischen Voraussetzungen dazu ein, er war in jüngeren Jahren auch selber Skispringer. Die Schanze wurde 1921 errichtet und 2007 komplett erneuert.In Garmisch-Partenkirchen fanden 1936 die Olympischen Winterspiele statt.Das Stadion stammt auch noch aus der Zeit. 1940 hätten die Spiele noch einmal dort stattfinden sollen, aber sie fielen wegen des Krieges aus.

…ach ja, der K-Punkt…
Der Konstruktionspunkt bezeichnet beim Skispringen den Punkt der Skisprungschanze, an dem das Gefälle des Aufsprunghangs flacher wird. Seine Weite wird von der Grundkante des Schanzentisches entlang des Hangs gemessen. So. Nach einer kleinen Pause fuhren wir rüber zur Hausbergbahn und trafen Michi Gress (Veranstaltungsmanager), der uns Schneeschuhe und Stöcke zur Verfügung stellte. Oben auf dem Hausberg (1335m) lag genügend Schnee und wir drehten eine zweistündige Runde. Auf dem Weg versteckte Michi nochmal Gegenstände und ließ die uns mit dem Lawinensuchgerät über Piepsgeräusche finden. In seinem Haus an der Talstation tranken wir zum Abschied in der Sonne Cappuccino und beobachteten dabei entspannt die Skitouristen.
Wir kehrten noch bei einem Griechen ein und traten dann gegen 19 Uhr die Heimreise an. Wir sind sehr froh, dass wir unser Wochenende vor der Pandemie verbringen konnten.
Danke an Dirk und Michi! Sie sind tolle Menschen, die ihr Geschäft beherrschen. Das Wetter meinte es auch sehr gut mit uns, alles war dabei: Regen, Schnee und Sonnenschein.

3) Führung durchs Weltkulturerbe Bamberg – für Sehbehinderte und Blinde

Es gelang uns kurzfristig eine Tour durch Bamberg zu bekommen, das jedoch war nichts Besonderes, wie wir von unserer Führerin erfuhren, weil in Bamberg die Dichte an Stadtführern und –rinnen in Deutschland mit am größten ist. Besonders war sie aber doch unsere Tour, von der Tourist-Information an den Regnitzarmen entlang und darüber, vorbei an der Villa Concordia bis hoch zum Domberg. Weil unsere blinden bzw. hochgradig sehbehinderten Teilnehmer*innen ein Punktschrift-Tastbuch zur Verfügung bekamen. Die Bücher waren nagelneu, und wir waren die ersten, die die Erläuterungen mit Hilfe des Buches besser nachvollziehen konnten. Hauptsächlich können mit den taktilen Bildern die einzelnen epochalen Bauweisen der Häuser unterschieden werden können. Nur anhand der Erklärung beim Zuhören sind das fürs Gedächtnis erstmal zu viele Informationen. Zum Beispiel die Unterschiede zwischen Bauart der Häuser und der Fenster im Barock, in der Gotik etc. Nach den visuellen, verbalen und taktilen Herausforderungen mussten wir eine Trinkpause einlegen. Dazu stiegen wir auf den Stephansberg und nahmen Platz im Spezial-Keller. Spezial ist eines der Bamberger Rauchbiere, aber nicht ganz so geräuchert. Das tranken wir gerne und traten den Rückweg an. Abends grillten wir noch im Innenhof des FZZ und waren sehr zufrieden mit uns und dem Tag.

4) Ein Nachmittag auf der Radrennbahn in Augsburg – FUTHUK-PEDALHELDEN 2020

Es muss ja nicht immer wandern sein, unsere Wandervögel sind offen für alle möglichen Arten der Fortbewegung sowie Sportgeräte. Tandemfahren ist im Internat nichts Neues, manchmal auch alleine aufs Rad, selbstverständlich auf sicheren Wegen, die es in unserer Umgebung zur Genüge gibt. Auf einer Radrennbahn aber waren wir alle noch nicht, eine ganz neue Erfahrung. Möglich machte die Stefan Böhm, er ist Erzieher (sein Arbeitgeber ist die FUTHUK GMbH) und da in der ambulanten Jugendhilfe tätig. In dem Rahmen organisiert er auch immer wieder mal Aktionen sportlicher Art für Jugendliche aus „schwierigen“ Familien. Darüber hinaus, und das ist das für uns Interessante, lernte ich ihn vor zwei Jahren kennen, als er noch Niklas Bacher aus dem Internat trainiert hat. Stefan ist B-Trainer-Radsport, aber hat sich ganz dem Breitensport gewidmet und da noch einiges vor. Bislang ist er im bayerischen Radsportverband für Schüler*innen von 8-16 Jahren zuständig, was Sichtung und Einräumen von Trainingsmöglichkeiten an den jeweiligen Standorten angeht.

Zu unseren Erfahrungen: es waren mehrere Erfahrungen: die enge Schnürung im Pedalkäfig (um ein Herausrutschen des Fußes zu verhindern), das Aufsteigen und Gehalten werden (dabei die Angst vor dem Umkippen), bevor es ins Oval geht, das Treten ohne Freilauf und Gangschaltung, das Anfahren unten auf der blauen Bahn, das Auf und Ab auf den oberen Bahnteilen (Überholen nur obenherum), das ständige Halten einer gewissen (nicht zu langsamen) Geschwindigkeit, das Langsamer werden und Stoppen (wieder Angst vorm Kippen), wo Stefan unser Tandem aber mit einem geübten Griff am Lenker in Empfang nahm. Am Ende waren alle derselben Meinung: Der Radsport auf der Bahn lässt den Adrenalinspiegel in die Höhe sausen. Er ist eine spannende Mischung aus Anstrengung mit Geschwindigkeit auf dem begrenzten Raum der Bahn, was auch Konzentration erfordert, um nicht unerwartet irgendwie abzudriften.

Ich habe aber eine ganz bestimmte Erfahrung in meiner Erinnerung: Das Vertrauen, das Ihr (Lennart, Lasse, Thomas, Sophie und Mouna) uns als Tandempiloten entgegengebracht habt und mit uns bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 30-40 kmh, 40-60 Minuten lang über die Holzbahn gebrettert seid. Unsere beiden jungen Tandempilotinnen aus dem Radsportverein kanntet ihr ja nicht, aber habt Euch mutig sofort mitreißen lassen. Respekt!

Bei der Verabschiedung hängte Stefan uns noch eine Medaille um, siehe Fotos. Die wurden von „seinen“ Jugendlichen kreiert und auch gegossen. Danke!

https://www.bahnradsport.bayern/

https://www.futhuk-jugendhilfe.de/standorte/55-standort-augsburg-aichach

 

Autor: Michael Heuer - FZZ